Die Stellungnahme der Entsorgungskommission (ESK) zum geplanten Logistikzentrum für schwachbis mittelradioaktiver Atommüll stößt in den Politikern aller Couleur der Region in breiter Front auf Unverständnis und Kritik.
Hauptgründe sind dabei die Akzeptanz der ESK für die Eingleisigkeit und die Aufweichung der Hochwasserproblematik.
Samtgemeindebürgermeister von Boffzen, Tino Wenkel, äußerte sich entsetzt: „Die Entsorgungskommission verlässt die eigens von ihr aufgestellten Auswahlkriterien und empfiehlt dem Bundesumweltministerium an diesem Projekt festzuhalten. Das betrifft in erster Linie den Hochwasserschutz und die Verkehrsanbindung der gesamten Region. Drei Monate später wissen wir, dass auch hier unter offensichtlicher Einflussnahme der Bundespolitik und losgelöst von einem transparenten Auswahlprozess entschieden bzw. eine Empfehlung abgegeben wird. Das ruft bei mir blankes Entsetzen und Fassungslosigkeit hervor.”
Der grüne Bundestagsabgeordnete Robin Wagener hat die Stellungnahme der ESK mit Enttäuschung zur Kenntnis benommen. „Die Entsorgungskommission weicht mit Ihrer Stellungnahme die eigenen Kriterien auf und hält an der Eignung von Würgassen fest obwohl viele Faktoren dagegen sprechen,” so Wagener. „Neben der Gefahr von Hochwasser sind viele Fragen der Logistik nach wie vor ungeklärt. Es fehlt die Zweigleisigkeit im Schienennetz; es gibt marode Bücken sowie enge Tunnel und Ortsdurchfahrten entlang der Transportstrecken.”
Auch die beiden SPD-Kreisvorsitzenden MdL Sabine Tippelt (Landkreis Holzminden) und Helmut Lensdorf (Kreis Höxter) äußern ihre Verärgerung zur ESK-Veröffentlichung: „Maßgebliche Kriterien, warum der Standort Würgassen nicht geeignet ist, sind für mich die schlechte Erreichbarkeit auf Schiene und Straße, die Lage in einem Hochwasserrisikogebiet und der unzureichende Abstand zur Wohnbebauung”, führt Sabine Tippelt aus. „Erst zu definieren, eine zweigleisige Bahnstrecke zu benötigen - um dann in der konkreten Standortdiskussion davon wieder abzurücken, halte ich für ungeheuerlich”, so die SPD-Abgeordnete für den Landkreis Holzminden weiter.
Helmut Lensdorf, der SPD-Vorsitzende im Kreis Höxter, ergänzt: „Das Logistik-Gutachten des TÜV Nord der Länder Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen aus dem letzten Jahr bestätigt die offensichtliche Unverhältnismäßigkeit eines solchen Zwischenlagers, auf die viele Bürgerinitiativen schon seit Langem aufmerksam machen.”
Der niedersächsische Umweltminister Christian Meyer (Grüne) äußert sich irritiert über die ESK-Stellungnahme: „Aus Sicht des Landes Niedersachsen steht nach dem gemeinsamen Logistik-Gutachten mit Nordrhein-Westfalen aus dem vergangenen Jahr weiterhin die Notwendigkeit eines Konrad-fernen Bereitstellungslagers grundsätzlich in Frage. Der Standort Würgassen ist aus Sicht Niedersachsens vor allem wegen des geringen Abstands zur Wohnbebauung, der Lage in einem Hochwassergebiet und der mangelnden Logistik bzw. auch zur Vermeidung von Atommülltransporten nicht geeignet. Die Auffassung der Entsorgungskommission, dass die selbst aufgestellten Kriterien für ein Atommülllager der Hochwasserfreiheit und der Zweigleisigkeit beim Bahnanschluss jetzt im Nachhinein aufgehoben werden, irritiert mich.
Die von der Entsorgungskommission angesprochenen Punkte, dass sowohl zur Straßen- und Schienenanbindung als auch zur Hochwasser- und Starkregengefährdung weitere Untersuchungen erforderlich sind, sollte zum Anlass genommen werden, sich von der auch vom Bundesrechnungshof kritisierten Fehlplanung am Standort Würgassen zu verabschieden. Niedersachsen ist weiterhin gesprächsbereit mit Blick auf eine konstruktive Lösung sowie eine faire Standortauswahl, die transparent und nach fachlichen Kriterien erfolgt. Dazu gehört auch, die Stellungnahme der ESK zum Anlass zu nehmen für eine verantwortungsvolle und intelligente Gesamtplanung der Zwischenlagerproblematik in Deutschland, um die nötige Transparenz zu gewährleisten.”